Spirituelle Krisen: Grundlagen zur Einordnung eines facettenreichen Phänomens
Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten wurde in den westlichen Gesellschaften ein bis heute stetig wachsendes Angebot an psychospirituellen, bewusstseinsverändernden und transformativen Praktiken aus unterschiedlichsten historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten immer leichter zugänglich. Damit einhergehend kam es zu einem Anstieg spezifischer, klinisch relevanter Phänomene, die von Stanislav und Christina Grof als spirituelle Krisen konzeptualisiert wurden. In der Folge wurden derartige Phänomenbilder unter weiteren Begrifflichkeiten und Konzeptualisierungen, etwa als „Krisen der Bewusstseinsentwicklung“, „transpersonale Pathologien“, „Wandlungskrisen“, „transformative Krisen“, „spirituelle Probleme“ oder „emergente Krisen“ gefasst. Ein wesentliches Postulat der damit assoziierten Sichtweisen ist, dass, wenngleich krisenhafte Zustände dieser Art belastend und risikoträchtig sein mögen, ihnen dennoch ein positives, transformatives Potenzial innewohnt. Verbunden damit ist zudem das Anliegen, einer verfrühten Pathologisierung entsprechender Zustände vorzubeugen. Nicht zuletzt werden solcherlei Zustände vor dem Hintergrund erweiterter entwicklungspsychologischer Modelle als kritische Phasenübergänge in Richtung postkonventioneller bzw. transpersonaler Stadien der Selbst- und Bewusstseinsentwicklung verstanden. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die historische Entwicklung sowie grundlegende Aspekte der Spirituelle-Krisen-Thematik. Dabei liegt der Fokus auf den klinisch-psychotherapeutischen Implikationen solcher Prozesse.