Wie viel Präsenz oder Distanz beim Lehren und Lernen?

Embodiment als Bezugsrahmen für ganzheitliche Bildung

  • Michael Heinrich
  • Niko Kohls
Schlüsselwörter: Digitalisierung, Hochschule, Coronapandemie, Didaktik, Achtsamkeit, Inklusion

Zusammenfassung

In der Medienpädagogik und -didaktik wird auf zahllose Möglichkeiten hingewiesen, die aus der Öffnung virtueller Räume und dem Einsatz digitaler Medien in der Lehre erwachsen. Blended Learning öffnet demnach zusätzliche Räume des Lernens und der Begegnung, ohne auf die Alleinstellungsmerkmale der Präsenzlehre zu verzichten. Warum ist es dennoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht angebracht, optimistisch eine Gleichwertigkeit der Distanzlehre mit der Präsenzlehre zu konstatieren oder zu proklamieren? Hierfür müssen die Zusammenhänge, die zwischen Lernen mit Emotionen und körperlicher Erfahrung bestehen, betrachtet werden. Der physische Körper und die körperhafte Erfahrung im (Sozial-)Raum spielen bei Lernprozessen innerhalb einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung eine zentrale Rolle. Zudem ist Wissen allein zunächst abstrakt; es wird erst in Menschen und innerhalb menschlicher Kommunikation zu einer bedeutungsvollen, kontextuell vernetzten Erfahrung, innerhalb derer Kognition, Emotion und Motivation engstens miteinander verknüpft sind. Menschen reduktionistisch als computationale Maschinen und den Lernprozess als reine Wissensimplementierung zu begreifen, ist schon seit Längerem zu einer lernpsychologisch sehr fragwürdigen Position geworden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt entspricht eine je nach Inhalten und Kontexten spezifizierte, digital gestützte Präsenzlehre am ehesten den Anforderungen, die mit den ganzheitlichen Bedürfnissen von Schülern und Studierenden einhergehen. Dies steht im Einklang mit dem momentanen wissenschaftlichen Erkenntnisstand und dem subsidiären Prinzip unseres Hochschulsystems.

Autor/innen-Biografien

Michael Heinrich

Michael Heinrich, Prof. Dr., studierte Bühnenbild an der Kunstuniversität Mozarteum in Salzburg und promovierte später in psychologischer Ästhetik an der LMU München bei Ernst Pöppel. Er lehrt psychologische Ästhetik, Raumgeschichte, Entwerfen/Zeichnen und Szenografie an der Hochschule Coburg und leitet das Institut Mensch und Ästhetik (ein Kooperationsinstitut der Hochschule Coburg und der Universität Bamberg) für den Standort Coburg. Er ist fachlicher Sprecher des Forums Kultur der Europäischen Metropolregion Nürnberg. Sein Hauptinteresse gilt dem menschlichen ästhetischen Erleben in all seinen Dimensionen, einer psychologisch und metadisziplinär begründeten Gestaltungslehre und -praxis und der kulturellen Bildung. Publikationen und Werke: https://www.michaelheinrichdesign.de/

Niko Kohls

Niko Kohls, Prof. Dr., beschäftigt sich als Medizinpsychologe seit mehr als 25 Jahren mit den Themen Bewusstsein, Resilienz, Achtsamkeit, Stressregulation. Seit 2013 ist er an der Hochschule Coburg als Professor für Gesundheitswissenschaften im Fachbereich Gesundheitsförderung tätig. Niko Kohls unterrichtet seit über 25 Jahren als Dozent an Universitäten und Hochschulen. Er hat mehr als 100 wissenschaftliche Publikationen verfasst sowie über 500 Keynotes, Vorträge, Seminare und Workshops für nichtwissenschaftliche Organisationen gehalten. Im Sommer 2022 ist sein Buch Mehr Lebensfreude durch Achtsamkeit und Resilienz: Gelassener und stärker durch die richtige Balance bei Südwest erschienen.

Veröffentlicht
2023-07-16