Editorial

  • Dorothee Wienand-Kranz
  • Ulla Pfluger-Heist
Schlüsselwörter: Editorial

Zusammenfassung

„Klimawandel sorgt für stärkere Stürme“, titelte die SZ vom 12. November 13: „Die Kraft des Katastrophensturms ‚Haiyan‘ auf den Philippinen hat ein Schlaglicht auf die möglichen Folgen des globalen Klimawandels geworfen.“ Da scheint es sehr passend, dass Ingrid Riedel uns für diese Ausgabe ihren Vortrag „Nur Bewusstsein kann die Erde retten“, gehalten in Bad Kissingen im Juni dieses Jahres, zur Verfügung gestellt hat. Allerdings häufen sich die Klimakatastrophen auf so bedrohliche Weise, dass es gar keine unpassende Zeit für dieses Thema mehr gibt. Es drängt. Aber, so fragt Ingrid Riedel in ihrem Artikel, lassen wir den weltweiten Bewusstwerdungsprozess über die Gefährdung des Lebens auf der Erde wirklich zu oder verdrängen wir, was wir wissen und was wir tun könnten, spalten es ab, aus Angst oder auch aus Bequemlichkeit? Ingrid Riedel geht der Frage nach, wie sich im Prozess der Bewusstwerdung von Umwelt und Mitwelt das dialektische Zusammenspiel von Bewusstwerdung und Unbewusstem zeigt, denn „Wissen allein schafft noch kein Bewusstsein“. Das Unbewusste ist „zwiespältig“, es ist zweifach im Sinne von Unwissenheit, Verwirrung, Verdrängung, nicht wissen wollen, nicht überschauen können; andererseits trägt es alles evolutionäre Erfahrungswissen und auch alle schöpferischen Kräfte der Erneuerung in sich. Erst wenn das Zusammenspiel von Bewusstem und Unbewusstem einbezogen wird, so Ingrid Riedels These, kann aus bloßem Wissen um die Gefährdung des Lebens auf der Erde ein betroffenes, fühlendes und mitfühlendes Bewusstsein entstehen. Das zeigen eindrucksvoll die Träume von Analysanden und Kollegen, die Ingrid Riedel in vielen Jahren gesammelt hat und die warnende und auch wegweisende Botschaften bringen und die Träumenden oft auf einen Weg schicken, auf dem sie andere Entscheidungen treffen und neue Verantwortung übernehmen. Die Träume erzählen von der zerstörten und auch von der aufgebrachten Natur, vom Entsetzen der Träumenden, aber auch von den unbegreiflichen und unerschöpflichen Kräften des Lebendigen und der Regeneration. In Zeiten, in denen es zumindest in der Arbeitswelt um schneller, mehr, besser geht, ist die Besinnung auf „Schattenkompetenzen“ von Thilo Hinterberger verblüffend bis wohltuend. Die Beschreibung und Bedeutung der Schattenkompetenzen regen zum Innehalten, zum Nachdenken, auch zum Nachspüren an, wie es uns ergangen ist in Leistungssituationen, als wir z.B. Fehler machten, sehr langsam waren oder uns nutzlos fühlten. Thilo Hinterberger zeichnet die Gefahren der ständig steigenden Leistungsanforderungen auf: Herz-Kreislauf-Probleme, Krebs, Burnout, Depressionen. Um dem vorzubeugen, so vermutet er, benötigen wir noch andere Fähigkeiten, um Anforderungen und menschliche Grundbedürfnisse in Einklang zu bringen: die sog. Schattenkompetenzen, wie z.B. Fehlerfreundlichkeit, Ungewissheitstoleranz, Anerkennungsunabhängigkeit, Genuss und Genügsamkeit, um einige von hier 12 näher beschriebenen und begründeten Schattenkompetenzen zu nennen, zu denen Thilo Hinterberger die jeweils dazugehörigen Bewusstseinshaltungen hinzufügt. Er führt aus, dass Schattenkompetenzen Spiritualität mit der materiellen Welt verbinden. Ein kleines Kunstwerk ist Georg Henkel mit seinem Text „Die Tiefe des Jetzt“ gelungen. Seine Betrachtung von Jan Vermeers Gemälde „Die Milchmagd“ führt die LeserInnen Wort für Wort und Satz für Satz in das Gegenwärtigsein hinein, über das er schreibt und das er anhand des Bildes entfaltet. Die gleichzeitig nüchterne und poetische Betrachtung und Beschreibung des Gemäldes aus einer meditativen Haltung heraus lässt die „natürliche Stillheit“, die Georg Henkel im Bild erkennt und beschreibt, beim Lesen des Textes im Lesenden erwachsen. Henkels Analyse ist in die Untertitel Kostbarkeit, Hingabe, Bewusstheit, Zentriertheit, Einssein, Leerheit, Zeitlosigkeit und Eros gefasst, die sich jeweils als transpersonale Bewusstseinsqualitäten erschließen, die beim Lesen erlebbar werden und aufleuchten. Bei dem Artikel „Zeit und Bewusstsein – Die Bedeutung der Zeit für unsere Wahrnehmung, Gesundheit und Lebensqualität“ handelt es sich um einen Bericht über die Ergebnisse eines 4-tägigen Forschungsretreats. Schon die Zusammensetzung der 4 Leiter lässt erahnen, dass es sich nicht um trockenes Forschen über das Phänomen „Zeit“ handelt: Prof. Dr. Thilo Hinterberger ist Physiker, Neuro- und Bewusstseinsforscher, PD Dr. Marc Wittmann ist Psychologe und Zeitforscher, Helmut Kaiser ist Musiker und Hochschuldozent, Puria Kästele ist spirituelle Heilerin. Diese multiperspektivische Herangehensweise ist wohl das Besondere an diesem Forschungsretreat. Es wurden wesentliche, unterschiedliche Konzepte über die Zeit und das Zeitverständnis als theoretischer Input gegeben, das subjektive Erleben von Zeit, Messung von Zeit, Rhythmusempfinden sowie neurowissenschaftliche Erkenntnisse über Zeit wurden referiert. Anhand von Experimenten in Verbindung mit Meditation konnte unterschiedliches subjektives Zeiterleben erfahren werden. In Klangreisen und bei gemeinsamem Musizieren konnte die Wirkung von Takt, Rhythmus und Synchronizität auf das Bewusstsein direkt erkannt werden. Und in einer meditativen Sitzung wurde versucht, das Konzept von Zeit aufzugeben, um in einen Zustand nahe der Non-Dualität zu gelangen. Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern vielfältige Anregung und Inspiration.

Dorothee Wienand-Kranz und Ulla Pfluger-Heist

Veröffentlicht
2013-07-26